Mein Hund Blue, der mich zwölf Jahre lang treu begleitet hat, ist todkrank. Schon im Sommer zeigte er ein schlimmes Krankheitsbild: Er übergab sich den ganzen Tag, sodass wir unsere Ferien abbrechen mussten. Auf der Heimfahrt suchten wir einen Tierarzt auf. Die Ärztin röntgte ihn und sah kleine, unbedenkliche Schatten. Sie verschrieb Schmerzmittel und eine Paste, da sie einen Knochen- oder Holzsplitter im Magen vermutete.

Letzte Woche, nach zwei Monaten Ruhe, kamen die Symptome mit voller Wucht zurück – er übergab sich ständig. Am Montag entschieden wir uns, sofort unseren Tierarzt aufzusuchen. Wir übermittelten ihr die alten Röntgenbilder und die ganze Krankengeschichte. Nach einer gründlichen Untersuchung, einer Blutabnahme und dem Abtasten kam sie zu dem schockierenden Schluss: Blue ist sehr krank, todkrank. Mit den verschriebenen Medikamenten im Gepäck gingen wir geschockt nach Hause.

Am Mittag versuchten wir, uns beim gebuchten Wellness auf der Rigi abzulenken und machten mit Blue schöne Spaziergänge. Doch es wurde fast zum Horrortrip, weil uns der Befund so tief traf. Weinen und Lachen wechselten sich in der ganzen Zeit ab. Die tiefe Traurigkeit darüber, dass der gemeinsame Weg mit Blue bald enden würde, wurde immer wieder durch Anekdoten aus seinem Leben durchbrochen, die uns zum Lachen brachten.

In der ersten Nacht kam Blue im Traum zu mir und sandte mir Bilder davon, was ihn glücklich gemacht hat. Ich verstand den Sinn nicht sofort, bis mir eine Bekannte, die sich mit Tierkommunikation auskennt, zwei, drei Dinge von Blue übermittelte.

Aber der Reihe nach: Auf der Rigi waren wir sehr darauf bedacht, dass es Blue an nichts fehlte und wir beobachteten ihn genau. Nach unserer Rückkehr stand der nächste Termin beim Tierarzt an. Bei dieser Untersuchung und dem anschliessenden Gespräch wurde mir klar, dass ich für meinen geliebten Freund Blue eine alles andere als einfache Entscheidung treffen muss.

Was dieser Tumor in Blues Körper mir schenkt, ist die Möglichkeit eines bewussten Abschieds von meinem treuen Begleiter. Die Tierärztin brachte es so gut auf den Punkt: Wir sind keinesfalls zu früh für die Entscheidung, ihn gehen zu lassen, aber wir haben noch etwas Zeit. Blue wird mir klar zeigen, wann die Zeit gekommen ist und ich ihn mit meiner Entscheidung erlösen darf. Sie sagte, es könnten noch ein paar Tage sein oder ein paar Wochen – denn er ist schon jetzt ein grosser Kämpfer mit dieser Diagnose.

Ich hatte mich schon früher mit Tierkommunikation befasst, wusste aber nicht, wie wichtig dies plötzlich werden würde. Die Inputs unserer Bekannten waren unschätzbar wertvoll, um mir klarzumachen, wie diese Kommunikation funktioniert. Ich lerne, zu prüfen, ob mein Wunschdenken mitredet oder ob es wirklich Blue ist. Bei einem eigenen Tier ist das so schwierig, deshalb bin ich unglaublich dankbar, jemanden fragen zu können, der den Dialog mit Blue nüchtern führen kann. Ich durfte so erfahren, welche Menschen er noch sehen und welche Orte er noch besuchen möchte – Orte, die ihm viel bedeuten und wo ich ihn dann der Natur zurückgeben darf.

Gestern haben wir bereits seinen ersten Wunsch in die Tat umgesetzt: Wir wanderten auf die erste Alp, wo wir zwei unvergessliche Alpsommer verbrachten – genau die Alp, die er mir im Traum und meiner Bekannten beschrieben hatte. Ein besonderer Herzenswunsch von Blue war es zudem, dass ich beide Partnerinnen, die in seinem Leben mit mir zusammen waren, über seinen Zustand informiere und ihnen die Gelegenheit gebe, sich von ihm zu verabschieden. Es hat mich unglaublich berührt, dass sie alle diese Chance genutzt haben oder noch nutzen werden.

Im Traum zeigte Blue mir immer wieder das Zeichen von Yin und Yang, damit ich verstehen darf, was wichtig ist auf dieser Welt. Die Dualität ist die Anwesenheit von allem. Wenn du in tiefer Trauer nicht ausschau hältst nach der Freude, wird dich die Trauer verschlingen. Wenn du in der dunkelsten Stunde nicht nach Licht suchst, wird dich die Dunkelheit aufsaugen. Nach diesem Traum transformierte sich das Prinzip der Dualität vom theoretischen Wissen in erfahrenes Wissen – es ging buchstäblich in Fleisch und Blut über bei mir.

In all den spassigen, ergreifenden und abenteuerlichen Erlebnissen mit Blue ist dies eines der grössten Geschenke, die er mir in seinen letzten Stunden macht. Auch wenn mir beim Schreiben dieser Zeilen fast pausenlos Tränen über die Wangen laufen, bin ich so tief berührt davon, welch eine urnatürliche Weisheit so ein Fellfreund in sich trägt, um mir solch eine tiefgründige Erkenntnis mitgeben zu können.

Er ist einfach, was er ist: ein Hund. Und in dieser Einfachheit ist er so klar, dass er mich durch fast alle Emotionen schickt, um mir bewusst zu machen, dass ich noch viel mehr bin, als ich glaube und wahrhaben kann.

Er ist mein Lebensretter, mein Seelsorger, mein Nervsack, mein Lachsack. Er ist durch nichts zu ersetzen, und das ist gut so. Seine einzigartiges Wesen, mich auf die Palme zu bringen und mich auch wieder herunterzuholen, ist seine hohe Kunst, mir zu zeigen, wie lebendig ich mich fühlen darf, wenn ich mich selbst bin. Ich werde es vermissen und werde Ausschau halten, ob mir wieder so ein Engel begegnet, der vermutlich eine andere Form haben wird – oder auch nicht. Ein Engel, der mich täglich daran erinnert, der zu sein, der ich bin.