Wie du Welle und Meer bist – Erkenntnis auf der Alp
Ich möchte dir heute eine Vorstellung mitgeben, die dein Denken über dich selbst und die Welt fundamental verändern darf. Es ist keine neue Theorie, sondern eine Wahrheit, die so alt und kraftvoll ist wie das Meer selbst. Es geht um den Ozean des Seins – und darum, wie du dich darin wiederfindest.
Meine These, die ich dir ans Herz legen möchte, ist einfach:
Jeder bewusste Mensch kann sich als Welle des Ozeans wahrnehmen. Mit Achtsamkeit kann man die Bewegung der Welle wahrnehmen und mit bewusstem Sein spürt man die Bewegung des Ozeans.
Lass uns das gemeinsam für einen Moment durchdenken. Es ist einfacher, als es klingt.
Der Moment, als die Welle zum Ozean wurde
Diese Erkenntnis kam nicht aus einem Buch, wobei ich es schon gelesen hatte, aber nie verstand. Sie traf mich 2019, hoch oben auf der Alp, an einem sonnigen Morgen. Ich war auf dem Rückweg vom Vieh zählen und machte eine Pause auf der Weide, um die Welt zu betrachten und zu bestaunen. Als mein Blick über die saftige Weide wanderte, die Morgensonne mich von hinten wärmte, geschah das fast Unbeschreibliche.
Es war ein Augenblick des totalen Innehaltens. Der Moment verlangsamte sich bis zum Stillstand. Plötzlich fühlte ich mich nicht nur mit der Alp, dem Vieh, dem Himmel, dem Wald, der Ameise neben mir verbunden – ich fühlte mich als alles, was es zu geben schien. Nicht als ein Teil, der sich an das Ganze bindet, sondern als das Ganze selbst. Ich war nicht mehr das Individuum Ronald, die einzelne, getrennte Welle, sondern ich spürte, dass ich das unendliche Meer war.
Genau darum geht es.
1. Du bist die Welle und der Ozean: Achtsamkeit und Bewusstes Sein
Du bist die Welle: Das ist deine Persönlichkeit, deine Geschichte, deine Sorgen. Mit Achtsamkeit nimmst du die Bewegung deiner Welle wahr: wie du gerade denkst, fühlst und handelst.
Du bist der Ozean: Das ist das Bewusste Sein, die Tiefe, die Quelle, das Universum, Gott und Buddha. In der Stille der Natur ist es leicht für mich, diesen Ozean wieder zu spüren, weil ich es anerkennen konnte und weiss: Der Ozean ist immer für dich da. Das Wasser deines Wesens ist grenzenlos, ruhig, mit sanften Bewegungen, die dich in die Geborgenheit schaukeln.
2. Das zähe Ego: Der wilde Mustang in dir
Doch wir sind im Leben, nicht nur auf der Alp. Und da gibt es diesen Anteil in uns, der uns ab und zu von dieser Weite trennt: Das Ego, das manchmal leiden will.
Dieses Ego fühlt sich getrennt. Es ist der Teil, der in alten Geschichten festhängt – in den Mustern der Vergangenheit. Es ist wie ein wilder Mustang: kraftvoll, schnell, aber ungezähmt. Und wenn es durchgeht, reisst es dich aus dem Gefühl der Allverbundenheit heraus und wirft dich zurück in die kleine, leidende Welle.
Wir könnten diesen Mustang verurteilen, ihn in den Stall sperren oder ihm gar wehtun. Aber ich habe einen viel weiseren Weg gefunden.
Ich übe fast täglich, diesen Mustang zu reiten.
3. Der Weg der Annahme: Reiten statt Widerstand
Die wahre Meisterschaft liegt nicht darin, das Ego (die Welle) auszulöschen, um nur der Ozean zu sein. Die Meisterschaft liegt in der Integration.
Dein Mustang – das ist ein Anteil deiner Vergangenheit. Er gehört zu dir. Ihn zu verletzen, hiesse, einen Teil von dir abzulehnen.
Meine Übung ist:
Anerkennen: Du kannst den Mustang anerkennen. Du siehst seine Kraft, seine Angst, seine Opferhaltung, die er lernen musste. "Ah, da ist mein Mustang wieder. Er hat Angst." Lass ihn durch die Angst springen, damit er erkennen kann, dass nach der Angst das Leben ohne Blessuren weitergeht, und so wird die Angst immer kleiner und machtloser.
Ausdruck geben: Du erlaubst ihm eine Form des Ausdrucks. Du gibst der Energie Raum, ohne dich von ihr beherrschen zu lassen. Vielleicht schreibst du es auf, vielleicht atmest du es aus, vielleicht sprichst du es aus oder umarmst es einfach.
Dadurch geschieht das Wunder: Du bist nicht mehr im Widerstand – Widerstand erzeugt immer Schmerz.
Widerstand erzeugt Reibung und trennt. Annahme schafft Raum und verbindet. Du hältst das Zepter des Bewusstseins in der Hand und reitest den Mustang, anstatt von ihm gezerrt zu werden. Und wenn du ihn reitest, dann wird die wilde Kraft des Mustangs Teil der Bewegung deines Ozeans.
Widerstand ist in der Angst gefangen – Annahme ist mit Liebe und Vertrauen verbunden.
Du bist die Welle, die den wilden Mustang reitet, und gleichzeitig der Ozean, der alles trägt.
Gehe heute in diesen Tag, atme tief durch und nimm diesen wunderschönen, doppelten Blick auf dich mit: Du bist Welle und Ozean zugleich.

Kommentar schreiben